Streit in der Beziehung: Warum Paare laut werden und sich gegenseitig beschuldigen
Wenn Paare streiten, geht es selten nur um das, was gerade gesagt wird. Oft werden alte Verletzungen, Bindungsängste und tief verwurzelte Muster aktiviert, die vielleicht bereits in der Kindheit oder Jugend entstanden sind.
1. Emotionale Bindungsbedürfnisse (Emotionsfokussierte Paartherapie - Perspektive)
Die Emotionsfokussierte Paartherapie zeigt, dass Menschen von Natur aus Bindungssignale senden, wenn sie sich unsicher fühlen. Streit wird dann zur Bühne für diese emotionalen Bedürfnisse: Wir werden laut, weil wir uns nicht gesehen, gehört oder sicher gebunden fühlen. Die Wut, die wir äußern, ist oft nur die oberflächliche Reaktion auf Angst, Traurigkeit oder das Gefühl, abgelehnt zu werden.
2. Aktivierte Schemata (Schematherapie-Perspektive)
Schematherapie erklärt, dass wir früh im Leben psychische Grundmuster entwickeln. Diese Schemata beeinflussen, wie wir auf Konflikte reagieren. Beispiele:
Verlassenheitsschema: Angst, verlassen oder im Stich gelassen zu werden → aggressive Verteidigung.
Selbstwertschema: Glaube, nicht gut genug zu sein → Vorwürfe als Schutz vor eigener Scham.
Misstrauensschema: Erwartung, dass andere uns verletzen → schnelle Eskalation, um Kontrolle zu behalten.
Wenn ein Partner einen harmlosen Satz sagt, kann das manchmal alte Schemata aktivieren. Die Reaktion ist nicht rational, sondern eine Art emotionales „Alarmfeuer“.
3. Eskalationsspirale
Paare geraten oft in eine wechselseitige Eskalation: Die erste Person wird laut, die zweite Person wird daraufhin defensiv, die erste Person fühlt sich erneut bedroht und so weiter. Die Stimmen steigen, Vorwürfe fliegen und beide reagieren aus den aktivierten Mustern, nicht aus dem aktuellen Konflikt.
4. Die Funktion der Lautstärke und der Vorwürfe
Laut werden und Vorwürfe äußern ist ein emotionales Signal: „Ich fühle mich verletzt, ich brauche Nähe, ich will gesehen werden.“ Auch wenn es destruktiv wirkt, ist es psychologisch ein Ausdruck tiefer emotionaler Bedürfnisse, die oft nicht anders kommuniziert werden können.
Fazit: Konflikte in Paarbeziehungen sind also selten nur rationale Auseinandersetzungen. Sie spiegeln alte Verletzungen, Schemata und Bindungsängste wider. Wer erkennt, dass Wut und Vorwürfe Signale tiefer emotionaler Bedürfnisse sind, kann den Streit besser verstehen – auch wenn das Verhalten auf den ersten Blick nur laut und aggressiv wirkt.
In meiner Praxis in Düsseldorf und auch online helfe ich Paaren als erfahrene Psychologin und Paartherapeutin, wieder Nähe, Verständnis und Lebendigkeit in ihre Beziehung zu bringen.
Quellen und weiterführende Literatur
Johnson, S. M. (2004). The practice of emotionally focused couple therapy: Creating connection. Brunner-Routledge. https://de.wikipedia.org/wiki/Emotionsfokussierte_Therapie
Young, J. E., Klosko, J. S., & Weishaar, M. E. (2008). Schema therapy: A practitioner’s guide. Guilford Press.
Bowlby, J. (1969). Attachment and loss: Vol. 1. Attachment. Basic Books.