Fremdgehen – und dann?

Es ist einer der tiefsten Einschnitte in einer Beziehung: Wenn einer der Partner fremdgeht. Für viele bricht in diesem Moment eine Welt zusammen. Schock. Wut. Trauer. Ohnmacht. Und irgendwann die Frage: Wie konnte das passieren? Und kann man so etwas überhaupt überstehen?

So unterschiedlich wie die Paare selbst sind auch die Gründe für einen Seitensprung. Und doch hat diese Krise fast immer eine gemeinsame Wurzel: emotionale Entfremdung – und unbewusste Muster, die oft viel tiefer reichen, als es auf den ersten Blick scheint.

Ein Vertrauensbruch ist nicht das Ende – aber ein Wendepunkt

Wenn wir betrogen werden, fühlt sich das oft an wie ein persönlicher Angriff. Und doch sagt ein Seitensprung nicht immer etwas über fehlende Liebe aus – sondern manchmal viel mehr über innere Leere, Bindungsangst oder das unbewusste Bedürfnis, sich lebendig zu fühlen.

In der Schematherapie sprechen wir davon, dass solche Verletzungen oft Ausdruck tiefer liegender, ungelöster innerer Konflikte sind. Zum Beispiel:

  • Wer gelernt hat, die eigenen Bedürfnisse zu unterdrücken, lebt in der Beziehung vielleicht angepasst – bis er oder sie an einem Punkt „ausbricht“.

  • Wer ein Misstrauens- oder Verlassenheitsschema in sich trägt, sabotiert unbewusst Nähe – aus Angst, selbst verletzt zu werden.

  • Oder der „innere Kritiker“ wird so laut, dass man sich außerhalb der Beziehung Bestätigung sucht, um sich überhaupt noch wertvoll zu fühlen.

All das sind keine Entschuldigungen für einen Betrug – aber Erklärungen. Und genau hier setzt die Schematherapie an: Sie hilft, zu verstehen, was emotional wirklich passiert ist – und warum.

Was nach dem Betrug oft passiert

Nach einem Seitensprung geraten Paare oft in eine Spirale aus Schuld, Scham, Rückzug und Vorwürfen. Die betrogene Person ist verletzt und will Antworten. Der oder die andere ist überfordert – von Schuldgefühlen, aber auch von der Angst, alles zu verlieren.

Ohne Begleitung kann diese Dynamik festfahren. Dann werden aus zwei Menschen mit Schmerz zwei Gegner. Dabei wäre gerade jetzt das Wichtigste: einander wieder als Menschen zu sehen – mit Geschichte, Gefühlen, Mustern.

Wie Schematherapie nach einem Seitensprung helfen kann

Schematherapie bringt etwas Entscheidendes mit: Tiefe. Langsamkeit. Und den Blick hinter die Fassade.

In der Paartherapie mit schematherapeutischem Ansatz geht es nicht nur um das „Warum“ des Fremdgehens – sondern um die tieferliegenden Muster beider Partner:

  • Welche alten Verletzungen wurden berührt?

  • Welche Schutzmechanismen sind in Kraft getreten – z. B. emotionale Abschottung, Flucht, Angriff?

  • Welche Schemata (z. B. Verlassenheit, Wertlosigkeit, Misstrauen) prägen unser Miteinander?

Beide Partner lernen, sich selbst besser zu verstehen – und auch den anderen in einem neuen Licht zu sehen. Es geht nicht darum, einfach „weiterzumachen“, sondern gemeinsam zu entscheiden: Was brauchen wir, um wieder Nähe und Sicherheit aufzubauen?

Vertrauen kann heilen – wenn beide bereit sind, hinzuschauen

Heilung ist möglich. Aber sie braucht Zeit. Ehrlichkeit. Und die Bereitschaft, sich auch den unbequemen Wahrheiten zu stellen. Die Schematherapie bietet hier einen geschützten Raum – um zu fühlen, was lange überdeckt war. Um aus der Dynamik von Schuld und Anklage herauszukommen. Und um neu zu entdecken, was zwischen zwei Menschen noch möglich ist, wenn sie wirklich gesehen werden.

Fazit: Ein Seitensprung kann eine Beziehung zerstören – oder sie an einen Punkt bringen, an dem ehrliche Veränderung beginnt.

Schematherapie hilft Paaren, nicht nur den Schaden zu reparieren – sondern zu verstehen, wo das Fundament Risse bekommen hat. Und manchmal, ja manchmal, entsteht daraus eine Beziehung, die ehrlicher, lebendiger und näher ist als je zuvor.

Quellen und weiterführende Literatur

  • Young, J. E., Klosko, J. S., & Weishaar, M. E. (2003). Schematherapie: Ein praktischer Leitfaden. Hogrefe Verlag.

  • Arntz, A. & Jacob, G. (2010). Schema Therapy in Practice. Wiley-Blackwell.

  • Schemaspezifische Paartherapie: www.schematherapie.de

  • Reiss, N. (2023). Beziehungsdynamiken verstehen und verändern mit Schematherapie. Berlin.

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„Ich liebe dich noch, aber ich fühle es nicht mehr“ – Wenn die Gefühle in der Beziehung verschwinden